Eine Nacht im Oijared-Golfresort (19.-20.07.2020)
von Reike
Bisher hielten wir uns die gesamte Reise über in der südliche Hälfte Schwedens auf. Vor allem Anne war schon länger nach landschaftlicher Abwechslung, kam ihr unser Kreuz und Quer durch die verschiedenen Regionen Südschwedens doch zunehmend wie eine Fahrt auf der Stelle vor. Immer die gleichen Bäume, die gleichen Seen, die gleichen Häuser zogen an uns vorbei.
So beschließen wir, nach Unterkünften im nördlichen Teil Ausschau zu halten. Dort gibt es echte Berge, den kargen Fjell, klare Flüsse und noch mehr Wildnis. Gerade letzteres wiederum löst bei Anne eher Beklemmungen aus, denn seid Monaten leben wir in Abgeschiedenheit, mehr als uns gut tut. Aber die Aussicht auf Abwechslung lockt sehr. Wir stellen fest, dass trotz Urlaubssaison in Nordschweden die schöneren Häuser zu günstigeren Preisen verfügbar sind. In Nordschweden ist „Saison“, wenn Pulverschnee die Pisten bahnt für beachtliche Ströme in- und ausländischer Wintersporttouristen. Jetzt, in den Sommerferien, ist Off-season.
Die langen Fahrtstrecken schrecken uns ab. An die meisten Orte gelangen wir nur, wenn wir mindestens 10 oder 15 Stunden Fahrt in Kauf nehmen. Dazu kommt, dass wir in Schweden erfahrungsgemäß die Google-Maps-Schätzzeiten mit Faktor 1,5 multiplizieren müssen. Warum wissen wir nicht. Es hat sich aber konsequent so bewiesen, Pausen freilich noch nicht einberechnet.
Anne findet einen Kompromiss: der „Branäs“ ist eines von Schwedens Top-Skigebieten, relativ weit südlich gelegen, nahe der norwegischen Grenze. Eine Fahrt dort hin dauert gut 4,5 h x Faktor 1,5 = 7 Stunden. Ein Zwischenstop auf dem Weg wäre ideal.
Anne bucht uns für eine Nacht im Golf-Ressort von Oijared ein. Zwischen zahlreichen zerklüfteten Seen auf einer Fast-Insel gelegen erhoffen wir uns eine kurze Luxuspause, das Hotel trägt immerhin vier Sterne. Wir sind gespannt, was uns erwartet. Bei einem kurzen Halt im Supermarkt decken wir uns mit den wichtigsten Dingen für eine lange Autofahrt ein: Stilles Wasser, Lakritze und Gummibären. Im Supermarktlicht bekomme ich einen Schreck, als ich Nante sehe. Am Vortag haben Ivo und er getobt, und Nante im Spiel einen kräftigen Ellenbogenschlag im Gesicht kassiert. Heute legt sich ein rotes Band über seine Augen und schmückt ihn wie einen Superhelden. Das tröstet. Zumindest für den Moment, denn in den Folgetagen nimmt das Band noch sämtliche Regenbogenfarben an.
Das Familienzimmer im Hotel gefällt uns. Es ist nicht sonderlich groß, aber zweckmäßig, schön und sehr sauber. Riesige Fenster blicken in den Wald.
Anne hat kurz vor unserer Ankunft die Bombe platzen lassen und den Jungs gesagt, dass es einen Pool im Hotel gibt. Entsprechend aufgekratzt sind die Kids. Und kaum im Zimmer angelangt, schmeißen sie schon die Klamotten von sich und stehen ungeduldig wippend an der Tür. Anne und ich haben auch Lust. Uns locken aber eher die zwei angeschlossenen Saunen.
Nach der Sauna hole ich die letzten Dinge für die Übernachtung aus dem Auto. Auf dem letzten Gang vom Auto entsorge ich unseren Reisemüll: leere Tütchen, vollgemalte Blätter, McDonalds-Reste. Alles zusammen stopfe ich in eine winzige Öffnung des vor dem Hoteleingang stehenden winzigen Mülleimers, während mich die Leute auf dem angrenzenden Golfübungsgrün abschätzend anblicken, als wäre ich ein Fremdkörper, als gehöre ich mit unserem von Offroad-Wegen staubigem Uralt-Auto, vollgepackt bis obenhin und mit den McDonalds-Tüten in der Hand nicht in ihre feine Gesellschaft. Bilde ich mir ein.
Golf spielen wir nicht, obwohl wir es vorhatten. Auch für einen Abendspaziergang fehlt uns irgendwie die Lust. Am nächsten Morgen freuen wir uns wie die Schneekönige auf das Hotelfrühstück – und werden derbe enttäuscht. Wegen Corona gibt es kein Buffet. An der umfunktionierten Bar können Hotelgäste Toast und Ei bestellen. Ich frage „Toast und Ei? Gibt es noch etwas anderes?“, und werde von der Antwort enttäuscht. Die Kinder machen lange Zähne. Wir setzen uns an einen der vielen freien Tische und sehen bei unseren Nachbarn Croissants. Nochmal an der Bar bestätigt die Bedienung, ja, es gäbe auch Croissants. Aha, also nicht nur Toast und Ei. Nein, nicht nur Toast und Ei. Ob es noch etwas anderes gibt, frage ich, nur sicherheitshalber. Nein, gibt es nicht. Später sehe ich bei nochmal anderen Gästen Obst. Egal, wir sind schon satt. Nante fragt uns, warum unsere Camping-Platzfrühstücke eigentlich immer besser seien, als die in irgendwelchen Sternehotels. Ich weiß keine Antwort, aber fühl mich durch diese Beobachtung irgendwie getröstet.
Wir packen schnell, denn wir haben kaum etwas für die Übernachtung mit im Hotel, und düsen ab richtung Norden. Branäs, wir kommen!