Zwischenstopp in Pataholm (21.06.2020)
von Reike
Was eigentlich als Pullerpause geplant ist, soll sich zu einer besonderen Perle auf der Schnur unserer Reise auswachsen. Auf unserer 160 km langen Fahrt von Öland ins nördlich gelegene Västervik biegen wir von unserer Straße ab und machen wir Halt in Pataholm.
Völlig unerwartet finden wir uns in einem magischen kleinen Idyll wieder. Hier scheint die Zeit seit mindestens einem Jahrhundert stillzustehen. Pataholm war bis vor wenigen Jahrzehnten Schwedens kleinster Ort mit Marktrecht. Doch auch heute dürfte es aus kaum 20 Wohngebäuden bestehen.
Prachtvoll herausgeschmückt sind dabei nicht nur sämtliche Häuser und Vorgärten. Auch die Lage ist besonders schön und so befindet sich der zentrale Platz von Pataholm nur 100 Meter vom Schärengarten entfernt. Der Übergang von Land zu Wasser ist Wiese. Diese Wiese dient dem Beladen der Schiffe des winzigen Hafens und auch dem Gemeindevergnügen.
Wir beschließen, aus der kleinen Pause eine große Pause zu machen und suchen uns eine Picknickbank aus Holz im Schatten einer Birke.
Anschließend erkunden wir das kleine Örtchen, lesen Infotafeln und bestaunen die Liebe zum Detail, welche dem Gestaltungswillen der hiesigen Bewohner eigen ist.
Nach 15 Minuten haben wir alles gesehen, denn der Ort ist klein. Die Jungs drängen darauf, vor dem Weiterfahren noch einmal zu baden. Direkt im Hafenbecken soll es sein. Nagut.
Ihre Planschlust verflüchtigt sich in der gleichen Geschwindigkeit, mit der ihre kleine Füße in den morastigen Boden einsinken und sich das Wasser grau eintrübt. Als jedoch beim Versuch, vorsichtig zum Ufer zurückzukehren der erste stecken bleibt und ins kühle Nass hinein fällt, springt der zweite, dessen Badelaune urplötzlich wiederbelebt ist, prompt hinterher.
Ich bewundere währenddessen Bienen und Hummeln, die sich am Hornklee, mit dem die Wiese gesprenkelt ist, nicht satt sammeln können.
Gut gestärkt und noch mit Badewasser in den Ohren machen wir uns wieder auf den Weg. Die letzte Etappe unserer Tagesreise steht an. Knapp eine Stunde nach der Abfahrt stellen wir fest, dass Nante seine Schuhe in Pataholm hat stehen lassen. Zu weit sind wir schon gefahren, um einfach nochmal umzukehren, denn wir haben ein enges Check-in-Fenster in unserer nächsten Unterkunft, welches wir zu verpassen drohen. Aber wie sollen wir die nächsten Tage bestreiten, wenn einem von uns das Schuhwerk abhanden ist? Wofür fragen wir eigentlich von morgens bis abends: hab Ihr Eure Schuhe? Tablets dabei? Kuscheltiere sicher? Schuhe am Mann? Endlosschleife.
Vielleicht ist genau dies auch das Problem und wir nehmen den Jungs durch unseren 24/7-Erinnerungs-Service die Chance, aus den Konsequenzen ihrer kindlichen Vergesslichkeit zu lernen. Anne und ich sind genervt, Nante hat ein schlechtes Gewissen und Ivo hört Hörbuch. Auf dem Rest der Fahrt wird kaum gesprochen.
Als uns einige Tage später das nächste Reiseziel erneut an Pataholm vorbeiführt, testen wir das Unmögliche – und haben Glück. Nantes Schuhe stehen noch immer exakt dort, wo wir sie zurück gelassen hatten. Alles wieder gut.
Sowas ähnliches wie Nanti mit den Schuhen ist mir passiert, als wir zu DDR-Zeiten mal Urlaub in Thüringen am Hachelstein gemacht haben. Nur waren es nicht meine Schuhe, sondern eine komplette Fotoausrüstung, die ich an der Bushaltestelle, von der aus wir gerade zur Heimreise gestartet waren, hab stehen gelassen. Vom Bahnhof bin ich dann mit einer Taxe zurück. Ein Mitarbeiter aus dem Ferienheim hatte die Tasche entdeckt und gesichert. Passiert also auch Großen. Mach dir nix draus Nanti. Ein Glück, dass nicht nur Bagaluten rumrennen und sich gleich alles einstecken, was ihnen nicht gehört. Bei uns soll der Sommer zurückkehren.