Die Überlegung

Am Anfang stand das Wort. Genau genommen eine Frage. Die, ob wir zu viert nochmal reisen wollten, bevor es für unsere Kinder schulisch-bedingt so ungünstig werden würde, dass wir jede längeren Reisepläne letztlich verwerfen müssten. Und bevor dann – nach einer langen Pause bis zur weitgehenden Selbstständigkeit unserer Kinder – wir selbst zu alt wären, um es noch zu wollen.

Ivo war bereits 10, in der 5. Klasse, und nächstes Jahr würde sein Wechselvorbereitungsjahr runter werden, bevor der Wechsel zur weiterführenden Schule anstünde.

Nante war fast 8, in der 2. Klasse und von uns vieren eigentlich am unproblematischsten, was Reisepläne anbelangt.

Anne arbeitete seit 2 Jahren als leitende Projektingenieurin in verschiedenen Projekten gleichzeitig mit Hochdruck an der Eröffnung des vielgescholtenen Großflughafens BER mit. Eigentlich schwer vorstellbar, vorher nochmal zu reisen. Vielleicht nach der Eröffnung?

Reike hatte gerade in den letzten Zügen die Insolvenz einer Firma abzuwickeln und die zugehörige Auffanggesellschaft aufzubauen und wirtschaftlich zu stabilisieren. Auch nicht gerade die ideale Ausgangssituation für eine Auszeit.

Klar war .. eigentlich gar nichts. Wie lange? Wohin? Wann? Wir kannten den Unterschied zwischen Urlaub und Reise sehr genau, und wussten, es würde eine Reise werden. Wir hatten eine vage Vorstellung von deren Dauer – 2 bis 4 Monate vielleicht. Und wir waren völlig offen vom örtlichen Ziel.

Wir sprachen gelegentlich mit anderen über unsere Überlegungen einer Familienauszeit. Mit Verwandten, Freunden, Kollegen, Bekannten und Fremden. Die Reaktionen waren höchst verschieden. Einige warfen die Hände in die Luft? „So ein Wahnsinn“ hörten wir. „Sowas wäre uns früher nie in den Sinn gekommen“. „Könnt Ihr Euch das überhaupt leisten?“ oder „Und was ist mit den Kindern, die müssen doch zur Schule“. Bedenken, Sorgen und Ängste. Um so mehr wir davon hörten, um so deutlicher wurde, dass es sich um die Bedenken, Sorgen und Ängste anderer handelte.

Der überwiegende Teil derer, mit denen wir unsere Gedankenexperimente teilten, aber war begeistert. „Ach das würde ich auch gern mal machen“ änderte sich hier der Ton. „Ihr seid so mutig“ oder „Das hätten wir mal auch machen sollen aber jetzt ist es zu spät“. „Das macht Ihr genau richtig“ oder scherzhaft „Nehmt Ihr mich mit?“. Der Zuspruch tat uns sehr gut und ermutigte uns weiterzudenken. Und auch in den positiven Kommentaren wurde deutlich, wie sehr unsere Reiseüberlegungen anderen die Möglichkeit boten, mitzuträumen, und vielleicht für einen Augenblick wehmütig über den eigenen fehlenden Mut zu so einer Reise hinwegzusehen.

Umso mehr wir uns jedoch ernsthaft mit der Frage beschäftigten, wie wir diese Träumerei in unser echtes Leben einbauen könnten, umso waghalsiger, abwegiger und unverschämter kamen uns diese Überlegungen vor. Immer wieder kamen Punkte, an denen uns der Mut verließ und wir froh waren, wenn der Alltagsstress uns wieder vollkommen vereinnahmte und uns so eine Träumpause bescherte. Aber das Fernweh kam zurück. Jedes Mal. Stärker.

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