Yxningen hält uns fest Teil II (27.06. bis 11.07.2020)

von Reike

Wir packen unsere Sachen und ziehen 50 Meter weiter. Das Haus, welches wir seit einer Woche unser temporäres zu Hause nennen, ist verbucht, das stand bereits von Anfang an fest. Da es auf Vikerabo Gård eine weitere Ferienwohnung gibt, ziehen wir dorthin um, denn wir haben festgestellt, dass es uns im Moment sehr gut bekommt, etwas länger an einem Ort zu verweilen. Das ständige Ein- und Auspacken wird zwar mit ständig neuen Abenteuern in ständig neuen Umgebungen belohnt. Doch in Tors und Susannes Gastfreundschaft fühlen wir uns sehr wohl, was unsere Begeisterung für den Yxningen noch verstärkt.

Den Umzug nehmen wir also gerne in Kauf dafür, dass wir noch eine weitere Woche hier verweilen dürfen. Es gibt hier in der Gemeinde Valdemarsvik und um den Yxningen noch soviel zu erleben, worauf wir uns freuen. Und die Gespräche, vor allem mit Tor, begeistern mich. Wenngleich Tor und ich einen Altersunterschied von vielleicht 20 Jahren haben, sind wir voll auf einer Wellenlänge. Auch Tor ist Unternehmer, auch sein Leben verlief nicht immer ganz geradlinig, auch er hegt eine große Leidenschaft für die Natur. Wir finden Anknüpfpunkte im Umgang mit Mitarbeitern, im Golfsport, im Tauchen, im Interesse für Bäume, und für Messerstahle, wir diskutieren angeregt über lokalpolitische Gepflogenheiten, die Motivation von Gruppen, Lebensträume und teilen den gleichen Humor. Wann immer wir nur kurz etwas zu besprechen haben, wird mindestens ein dreißigminütiges Gespräch daraus. Wir lachen viel und unterhalten uns über die Tage verteilt viele Stunden kurz über Gott und die Welt. Ich bin froh, dass ich noch nicht Abschied nehmen muss.

Vorsichtig wird eine gequollene Bohne hälftig geteilt.

Währenddessen ist das Bohnenexperiment in vollem Gange. Wir schauen noch, ob sich die kleinen Samen wie im Lehrbuch vorausgesagt verhalten, doch müssen enttäuscht feststellen, dass sie es nicht tun. Kann es daran liegen, dass wir entgegen der Anweisung keine Feuerbohnen kultivieren, sondern bruna bönor – also Braune Bohnen? Gequollen sind sie ja reichlich, doch einen Keim kann keine vorweisen.

Probanden und Kontrollgruppe.
Aufgequollen aber ohne Keim – Bohnenexperiment missglückt.

Die Jungs spielen Tablet. Ihre Tabletzeit beträgt in den Ferien im Allgemeinen zwei Stunden pro Tag. Gerade nutzen sie diese für eine gemeinsame Runde Minecraft, einem Computerspiel, welches die Jungs und ich schon seit Jahren spielen.

Die beiden haben sich jüngst in den Kopf gesetzt, YouTuber zu werden und basteln kräftig an ihrem ersten Spielevideo, mit dem der Durchbruch gelingen soll. Mit diesem Berufswunsch sind sie nicht allein. Polizist, Feuerwehrmann oder Arzt sind Berufswünsche einer anderen Generation. Kids von heute wollen YouTuber oder Programmierer werden, glauben nicht, dass sie noch jemals einen Führerschein brauchen, bezeichnen Postwurfsendungen als Offline-Spam und drücken ihre Gefühle in Internetakronymen wie „lol“, „op“ oder „yolo“ aus. Neulich fragte mich Nante, ob man im echten Leben eigentlich auch „respawnen“ kann. Ich selbst habe viele Anknüpfpunkte mit der Digitalwirtschaft, weiß aber auch von anderen Eltern, dass sie sich längst abgehängt fühlen und der Austausch mit den eigenen Kids zunehmend schwer fällt, weil man sich gegenseitig schlicht nicht mehr versteht.

Der Wunsch, später einmal YouTube-Star zu werden, ist also heute wenig exotisch, und so unterstütze ich unsere Jungs gerne dabei, alle Aspekte eines solchen Berufswunsches besser zu verstehen, damit sie später gute eigene Entscheidungen treffen können. Da YouTube kürzlich alle Mitglieder jünger als 13 Jahre auf Grund von neuen regulatorischen Vorschriften von seiner Plattform geschmissen hat, so, wie es auch fast alle anderen Social-Media-Dienste in dem Bemühen taten, die neuen Datenschutzrichtlinien der EU umzusetzen, ist YouTube selbst zwar erstmal außerhalb der Reichweite für Ivo und Nante. Aber es gibt einen Ersatz. Genauer gesagt haben wir frisch Juki für uns entdeckt. In Zusammenarbeit mit Kindersache.de (ein Angebot des Deutschen Kinderhilfswerkes e.V.) jedoch hat YouTube eine altersgerechte Videoplattform für Jugendliche und Kinder (JuKi) von 8 bis 12 Jahren entwickelt. Juki macht auf mich Stand heute einen vielversprechenden Eindruck – eine prima Alternative und eine Empfehlung für alle Eltern in ähnlicher Lage.

Illustrationen zum Jedermannsrecht wie diese gibt es überall und in zahllosen Ausführungen.

Ich nutze die Gelegenheit für einen Ausflug in Tors Wälder. Dabei begegne ich im seenahen Bereich riesigen Teppichen verblühter Maiglöckchen. Weiter oberhalb des Sees klammern sich niedrige Fichten verzweifelt an kahlem Fels fest.

Typisches Landschaftsbild: Fichtenwald und Flechtenlandschaften wechseln sich ab.

Dort, wo es eigentlich nichts festzuhalten gibt, wickeln Moose und Flechten den kargen Fels in ihr grün-, gelb-, grau- und rottöniges Gewand. Nimmt man sich die Zeit und geht kurz auf zehn cm Sichthöhe, eröffnen sich dem geduldigen Betrachter ganze Welten aus winzigen Pflanzen wie der nur drei Zentimeter hohen Echten Scharlachflechte, die sich vereinzelt bereits mit ihren roten Apothecien schmückt.

Echte Scharlachflechte

In einer circa 20 Meter breiten Steinmulde ist der Boden feuchter und erzeugt dabei ein winziges Biotop. Auf einem umgefallenen Fichtenstamm wachsen Austernseitlinge. So frisch und geschmackvoll bekommt man sie nur, wenn man sich abseits der Supermärkte im Wald auf die Suche nach ihnen macht.

Eine kleine Gruppe junger Austernseitlinge schmückt das Totholz.

Hinter der Mulde geht es abwärts. Eine trockene Heide geht in nassen Sumpf über. Hier finde ich massenhaft Tierspuren und bewege mich absichtlich langsam und gegen den Wind. Ich beobachte die Waldränder, die Baumgruppen, die Graskuhlen.

Ich finde Trittsiegel von Rehen, Wildschweinen, Elchen und schwer erkennbare. Dieses hier sieht aus wie das eines Hundes, ist aber gut 10 Zentimeter lang. Ich frage mich, ob es hier Wölfe gibt.

Gelegentlich blicke ich auch nach oben. In diesem Waldabschnitt soll ein Luchspaar zu Hause sein. Luchse lauern ihrer Beute häufig auf Bäumen auf und springen überraschend auf sie herab. Vor mir würden sie sich höchsten verkriechen, das weiß ich. Dennoch hoffe ich irgendwie, eines dieser scheuen Geschöpfe zu Gesicht zu bekommen.

Hin und wieder erregt etwas meine Aufmerksamkeit, so wie jetzt. Manchmal ist das ein unbedeutender Farbfleck, der sich geringfügig von seiner Umgebung abhebt. Manchmal eine ruckartige Bewegung von Schilfrohr, dass nicht zum von Wind verursachten Bewegungsmuster der anderen Halme passt. Manchmal ist es ein plötzliches Geräusch, oder plötzliche Stille.

Oppulenter Haufen Elchlosung. Leider haben wir die Spender noch nicht zu Gesicht bekommen.

Ich inspiziere jeden Winkel der sich vor mir ausbreitenden Landschaft. Da entdecke ich sie: ein Damspießer und seine Partnerin stehen aus dem Gras auf, gehen ein paar Schritte und beginnen zu grasen. Vorsichtig nähere ich mich ihnen. Sie blicken auf, ich bleibe stehen, bewege mich nicht, die Kuh sieht in meine Richtung und beide grasen weiter. Das Spiel wiederholt sich knapp ein Dutzend Mal. Mittlerweile bin ich mir fast sicher, dass sie mich sehen, auch wenn mich die Farben meiner Kleidung gut tarnen. Aber ich habe dies schon des öfteren erlebt: Wild erschrickt oft überhaupt nicht, wenn es Dich sieht, solange Du Dich ruhig bewegst. Erst, sobald Du eine ruckartige Bewegung machst oder es Deine Witterung aufnimmt, flieht es. Ich komme auf fast 20 Meter ran. Der Bock ist noch recht entspannt, aber der Dam-Dame wird es zu viel Nervenkitzel. Sie nimmt Reißaus. Der junge Spießer folgt ihr. Ich freue mich über dieses schöne Erlebnis.

Hoch tront dieser Hochstand über Wiesen und Wald.

Wenige Meter weiter entdecke ich einen Hochsitz, der komfortabler aussieht, als der in Deutschland Übliche. Neben bequemen Lehn- und Sitzauflagen entdecke ich einen Kanister Buchenteer – ein für viele Paarhufer unwiderstehliches Lockmittel. Im ganzen Verschlag riecht es angenehm nach Gegrilltem – auch mir spielt der Lockduft einen Streich.

Gemütlich ausgestatteter Hochstand.
Buchenteer lockt Wild an.
Schauerstelle von Wildschweinen.

Zurück in unserer Unterkunft berichte ich Anne von dem soeben Erlebten. Wir blicken dabei von der Terrasse unserer Ferienwohnung auf den See und genießen ein einheimisches Elchbier – Starköl Klasse III.

Elch-Öl

Es ist Zeit, dass ich mich dusche und zumindest einen flüchtigen Blick nach Zecken nehme. Nach fast jedem Waldbesuch kehre ich mit schwarzen Passagieren an Bord zurück. Zusammen mit den Kindern spielen wir bei einer heißen Tasse Milch mit selbstgemachtem Honig, den Susanne uns geschenkt hat, eine lange Runde Skip-Bo und Kniffel, bevor wir uns alle bettfertig machen.

Frischer Honig von Vikerabo, am Vortag zentrifugiert und abgefüllt.

Da wir, anders als im Farmhaus, hier keine von den Kindern getrennten Schlafzimmer haben, gehen wir zur gleichen Zeit wie sie ins Bett. Das ist aktuell zwischen zehn und elf Uhr. Vorher gibt es noch eine Gute-Nacht-Geschichte. Seit vielleicht drei Jahren lese ich ihnen wann immer ich kann ein oder zwei Kapitel eines Buches vor. So haben wir schon einige Dutzend Bücher in abendlichen Bettenlagern verschlungen. Momentan lesen wir „Die Abenteuer des Tom Sawyer“ in einer neuen Übersetzung von Andreas Nohl.

Noch eine Stunde bis Mitternacht. Der Mond scheint hell, als wöllte er einmal im Leben eine Sonne sein.

Zufrieden über einen weiteren herrlichen Tag an diesem wundervollen Ort blicke ich ein letztes Mal hinaus zum See. Da die Sonne hier derzeit erst gegen 23:30 Uhr untergeht, herrscht selbst um elf Uhr abends noch eine fast mystische Lichtstimmung, fast so, als hätten Tag und Nacht einen Harry Potterschen Blutpakt geschlossen und könnten sich nicht gegenseitig vollständig vertreiben.

Nante geht schon mal auf Tuchfühlung mit den gehörnten Wollhäuptern.

Der nächste Tag beginnt erneut mit einem Umzug. Allerdings nicht unserem, sondern dem der Schafe. Sie ziehen in eine neue, frische Wiesenparzelle um und wir dürfen helfen.

Anne rasselt mit dem Futtereimer und lässt gelegentlich eines der Schafe aus ihrer Hand fressen.

Jeder von uns hat die Hände voller Futter, auch die Hosentaschen voller Futter, denn wir müssen dafür Sorge tragen, dass die nicht unbedingt vor Schlauheit strotzenden Schafe ihrem Fresstrieb nachgehen und diesem die größte Chance einräumen, wenn sie in unserer Nähe bleiben, anstatt irgendwie zwischen den Parzellen dem saftigen Gras am Wegesrand zu viel Aufmerksamkeit zu schenken.

Mit Tor und Susanne genießen wir die gemeinsame Kafferunde.

Der Umzug gelingt und die Schafe määähen gemütlich auf der neuen Wiese vor sich hin. Ob daher der Begriff Rasenmähen kommt? Nach getaner Arbeit und voller Freude über das gerade gemeinsam erlebte laden wir Tor und Susanne auf eine Tasse Kaffee zu uns ein – das schwedische Fika. Die beiden willigen ein, wollen dafür jedoch auch gerne etwas beisteuern und bestehen darauf, kurz noch einmal hoch in ihr eigenes, ebenfalls ca 50 Meter entferntes Haus zu gehen. Sie kommen zurück mit einer tollen Überraschung: schwedisches Knäckebrot mit vom Nachbarn gegen Wolle eingetauschte, selbstgemachte Rinderleberwurst geschmiert, dazu für unsere Gaumen sehr ungewohnt eingelegte Gürkchen und einige Kanelbullar – Zimtschnecken.

Chokoladbullar, Kanelbullar, Leberwurstknäckebrot und Rohkostgeller.

Wir haben zwischenzeitlich das, was unsere Küche hergibt, zurecht gemacht und können mit einem schönen Obst- und Gemüseteller und einem Teller Chokoladbollars – kleinen schwedischen Murmeln aus Butter, Kakao, Kaffee, Mehl und Zucker, aufwarten. Es ist ein köstliches Kaffeekränzchen, allein schon von den Gesprächen her. Wir verabreden uns lose erneut für den Abend in zwei Tagen. Dann möchte uns Susanne Elch-Burger zubereiten. Was für tolle Aussichten.

Auch aufgetaut schmeckt Barsch frisch in Butter gebraten wunderbar.

Der nächste Tag wird endlich wärmer, fast 20 Grad. Für die Jungs heißt das Baden bis der Arzt kommt. Ein kleiner Einkauf im nahe gelegenen Gusum wird dazwischen geschoben. Gegenüber besuchen wir eine alte Glasschleifer-Werkstatt mit angeschlossener Ausstellung. Die Jungs sind begeistert, sieht doch fast alles nach Edelsteinen aus. Auch Anne und ich können die Werke schön finden, uns aber bei bestem Willen nicht vorstellen, uns so etwas in die Bude zu stellen.

Mir wird es da drin zu muffig und ich gehe schon raus zum Auto vor, nicht jedoch ohne einen kleinen Abstecher zum Flüsschen zu machen, welcher sich eng an die sich in einer alten Mühle befindenden Glaswerkstatt schmiegt. An Wasser kann ich einfach nicht vorbei gehen. Ich blicke suchend von der niedrigen Brücke herunter ins saftige Flussgras aus Igelkolben und Flutenden Schwaden, welches sanft im Sog der Flussströmung spielt. Ein Aal jagt einem kleinen Fisch hinterher, den ich nicht so schnell bestimmen kann und macht Beute. Das ist eine seltene Beobachtung, zumal an hellerlichtem Tag. Ich suche im Internet nach Möglichkeiten, hier zu Angeln, finde jedoch nur Berichte aus 2016, die dem Fluss auf Grund einer wenige Kilometer Flussaufwärts gelegenen Messingfabrik äußerst schlechte Belastungswerte nachweisen.

Wir fahren zurück nach Vikerabo Gård und es wird wieder weiter gebadet. Anne und ich suchen online nach einer möglichen nächsten Unterkunft, doch es sieht mau aus. In Schweden wurde gerade die staatliche Empfehlung zur Vermeidung innerländischer Reiseaktivitäten aufgehoben, während zeitgleich die Ferien beginnen. Das ganze Land hat Aufholbedarf und plötzlich ist auf AirBnB alles ausgebucht. Wir wollen auf andere Vermittlungsplattformen ausweichen, doch wissen nicht auf welche. Die uns für Deutschland geläufigen führen kaum oder keine Angebote in Schweden. Dazu kommt, dass viele Anbieter wegen der Corona-Krise straucheln. Das führt soweit, dass einzelne Anbieter ihre Dienste vorübergehend mehr oder weniger einstellen, einzelne Buchungen nicht ausführen und zeitgleich den Kunden ihre Stornierungsgutschriften mangels Liquidität nicht zustellen können. Das Internet ist voller Warnungen. Wir vertagen die Suche.

Zum Abendbrot braten wir das Barschfilet, welches wir einige Tage vorher mit den Netzen erfischt und zwischenzeitlich vakuumeingefroren hatten. Erschöpft fallen die Kinder ins Bett, Ivo zuerst, während Nante noch kurz bei den Vorbereitungen für Ivos Geburtstag am kommenden Tag mithilft, doch auch er muss sich der über ihn rollenden Müdigkeit bald geschlagen geben.

Wir genießen einen schönen Geburtstag und verwöhnen Ivo nach Strich und Faden. Zwar kann er heute nicht mit seinen Freunden feiern. Aber wir geben feierlich das Versprechen, dass er die Party nachholen darf, sobald wir zurück in Wandlitz sind.

Relikte einer Pfedezuchtvergangenheit fanden wir dort, wo unterirdisch abgetragene „Pferdeschuhe“ verklappt wurden. Als Glücksbringer ein schönes Mitbringsel.

Schon in den vergangenen zwei Jahren waren wir zu seinem Geburtstag jeweils im Ausland. Weil es sowieso immer Sommerferien sind, ist das Nachholen gar nicht schlimm und wir sind dankbar, dass auch Ivo es so leicht nimmt.

Tor und Anne richten die Zaunmatten aus, bevor sie vom Quad vorgespannt werden.

Tor spricht mich abends nochmal auf die gestern für morgen ausgesprochene Einladung auf Elch-Burger an und muss relativieren, dass sie am nächsten Tag das Setzen eines Schafzaunes vorhaben und dies Priorität hätte. Sie müssten erst sehen, wie sie voran kämen und ob sie es überhaupt bis Abends schaffen würden, wofür wir natürlich volles Verständnis haben.

Im Bett liegend frage ich Anne, ob wir den beiden nicht beim Zaunsetzen helfen wollen. Anne willigt sofort enthusiastisch an. Sie hatte das gleiche auch schon gedacht. Ursprünglich wollten wir unsere Reise ja mit einer mehrwöchigen Station auf einem Wwoofing-Bauernhof starten. In diesem Konzept, welches beispielsweise ähnlich auch von Work-Away angeboten wird, arbeiten Reisende gegen Kost und Logis in der Regel 5×6 Stunden die Woche auf einem Bauernhof mit. Anne und ich haben diesem Konzept einige unserer schönsten Weltreiseerlebnisse zu verdanken. Wir sind also große Fans davon. Leider hatte man uns kurz vor dem Reisebeginn abgesagt. Die Corona-Krise war gerade am Entstehen, und wir waren als Familie wohl auch nicht die attraktivsten Gäste für unsere vermeintlichen Gastgeberbauern. Sie wussten natürlich auch nicht, dass Anne und ich richtig durchziehen können. Wir beide vermissen das körperliche Arbeiten nun sehr und so waren wir sofort spontan begeistert von der Idee, baum Zaunbau zu helfen.

Die Zaunmatte muss auf Spannung gebracht werden, bevor sie an den Pfählen festgenagelt werden kann.

Und tatsächlich wird es ein großartiges Erlebnis. Auch Tor und Susanne hatten sich erst kurz zuvor den Bau eines Weidezauns mehr oder weniger selbst beigebracht, in dem sie einem benachbarten Bauern dabei halfen. Gerade Tor findet diese Form der Nachbarschaftshilfe immer eine prima Lerngelegenheit. Und nun lernen wir, wie man Pfähle setzt, bei steinigem Untergrund Stütz-A’s baut, dass die Maschen der Weidezäune unterschiedliche Größen haben und man die kleinen unten, die großen oben platziert, wie man die Zaunmatte mit dem Quad im Allrad-Modus vorspannt und schließlich mit Krampen an den Stützen befestigt und vieles mehr.

Anne geht dem widerspenstigen Gestrüpp an die Gurgel, bevor die Zaunmatten angebracht werden.

Die Ladies witzeln zwischendurch über Tor und mich, weil wir schon wieder in irgendwelche Gespräche abgedriftet sind. Wir spurten uns. Dann macht Tor Witze über Annes und meine Gründlichkeit und unser deutsches Sicherheitsbewusstsein, welches aus seiner finnischen Hau-drauf-Mentalität wahrscheinlich völlig übersteigert wirken muss. Aber einmal die Logik verstanden, können Anne und ich unsere Stärke des Durchziehens ausspielen. Und so werden wir trotz der vielen Gesprächen und noch mehr Lachen rechtzeitig fertig, um uns den mittlerweile heiß ersehnten Elch-Burgern zu widmen.

Frisch gegrillte Elchburger-Patties

Welch ein Genuss war das für uns! Für Anne, die lange Straußenfleisch auf Platz 1 Ihres kulinarischen Fleischsiegertreppchens zu stehen hatte, war ein neuer Titelträger herauf beschworen.

Es fiel uns enorm schwer, Susannes Angebot auszuschlagen, eine weitere Woche zum vergünstigten Satz hier auf Vikerabo Gård zu bleiben. Ob diese Entscheidung richtig war, würden wir erst später wissen. Heute waren wir uns selbst nicht ganz sicher. Aber Reisen besteht eben auch aus Verabschiedung und es war Zeit für uns, weiter zu ziehen.

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