Einsames Westküsten-Idyll Maden bei Ljungskile (13. bis 19.07.2020)

von Reike

Nach 14 wunderbaren Tagen am klaren Yxningen und Zwischenstationen am Götakanal und dem großen, hässlichen Vänersee hat es uns nun in die Nähe der Stadt Ljungskile an der westschwedischen Skagerak-Küste verschlagen. Einige Kilometer landeinwärts hat Anne für uns ein wunderschönes altes Bauernhaus in Alleinlage aufgetan, von dem es heißt, es stand einst einen Kilometer weiter bergab, wurde dann aber Anfang des letzten Jahrhunderts hier hoch getragen und neu aufgebaut, nachdem der damalige Besitzer, ein noch junger Bauer, nach einigen Jahren harter Artbei zu etwas Geld gekommen war und hier oben einen Flecken Land erwerben konnte.

Die junge Vermieterin, Ende 30, führt uns nur kurz durchs Haus und wir finden es auf Anhieb toll. Sie ist eigentlich Freiberuflerin in der Marketing-Beratung und bestreitet einen Teil ihres Einkommens mit weiteren, fragmentierten Jobs. Die Vermietung dieses Hauses ist eine ihrer Einkommensquellen. Mittlerweile habe ich es mir zur Gewohnheit werden lassen, die Vermieter gleich bei Einzug zu fragen, ob gerade Jagdsaison ist oder nicht, denn mich zieht es stets in den Wald, und in den schwedischen Wäldern ist eine verirrte Jägerkugel die vermutlich größere Gefahr als Wölfe, Bären oder Vielfraße, von denen wir noch keinem bisher begegnet sind. Nein, alles sicher, sagt sie. Und ob wir uns um den kleinen Rasenmähroboter kümmern könnten, wenn er sich mal festfährt. Einfach auf Reset drücken, steht alles auf dem Display drauf. Klar, machen wir gerne.

Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Unser Haus liegt an einem Hang. An seinen Rücken schmiegt sich ein steiler Hang aus Fels, den ich später unbedingt erkunden will. Seitwärts beschattet eine alte, knorrige Eiche mit ihren wirren, bartflechtenbehangenen Ästen die Grenze des einige tausend Quadratmeter großen Grundstücks, hinter der sich eine kleine Kleewiese und weite Himbeerfelder erstrecken, bevor Gebirgswald diese wieder verschluckt. Vor dem Haus fällt der Berg etwas flacher ab. Eine Schneise in den Bäumen hat mir bei der Anreise gestern noch den Blick bis hinunter ins grüne Tale, durch das ein quirliger Bach mäandert, erlaubt aber jetzt sehe ich fast nichts. Wir sind mitten ein einer Wolke. Leider ist die ganze nächste Woche klammes Wetter angesagt mit nur seltenen Wolkenaufrissen, immer um die 16 Grad. Wir nutzen die maue Vorhersage und den Umstand, dass wir uns hier auch im Haus sehr wohl fühlen, und versuchen, die Hausschulthemen endlich zu Ende zu bringen. In Deutschland haben die großen Sommerferien bereits begonnen. Wir hinken ein klein wenig hinterher.

Typische schwedische Zwischenmahlzeit: süßer Rote-Beete-Salat mit Kötbullarhälften, und ein großer Batzen Garnelen auf süßem Brot.

Das schöne an schlechtem Wetter ist, dass man sich selbst im Sommer guten Gewissens den Kamin anmachen kann. Wir verbringen einige schöne Abende vor dem knisternden Feuer und lesen oder spielen Spiele.

Tagsüber ist die Luft draußen stark von Wasser geschwängert, sodass sich ein Dauerzustand irgendwo zwischen Regen und Dampfbad einstellt. Sobald es länger als 10 Minuten nicht regnet, macht sich Rasi – der automatische Rasenmäher – auf den Weg, seinen Dienst zu verrichten. Leider hängt sich das kleine Billigmodell ständig an etwas auf.

Anne wird Rasis bester Freund und schnellt ihm bei jeder Gelegenheit zur Hilfe. Manchmal im Zehnminutentakt. Hier ist ihm eine Steigung zu steil, dort das Gras zu hoch und lässt die Hartplasteräder durchdrehen. Ständig geht ihm der Strom aus und dann schafft er es nicht mehr zurück zu seiner Ladestation. Mit 25 Kilo unter dem Arm stapft Anne dann durch nasses Gras und bringt Rasi heim.

Ivo erkundet einen alten Lebensmittelkeller auf dem Gelände und erklettert ihn schließlich.

Die Reste der Hausschule drücken auf unsere Geduld. Ivo ist bereits seit einigen Tagen fertig und macht freiwillig Zusatzaufgaben. Doch irgendwann vergeht ihm die Lust darauf. Er argumentiert folgerichtig, dass er sich ja gar nicht hätte besonders beeilen brauchen, wenn er am Ende dann einfach mehr Aufgaben bekommt. Dass er nun fairerweise mehr Freizeit erhält wiederum, zerrt an Nantes Nerven, dessen Konzentrationsbereitschaft zusehends schwindet.

Kleine Zahlenschlosskästen wie dieser sind üblich in AirBnB-Unterkünften. In ihnen ist der eigentliche Hausschlüssel hinterlegt.

Das trübe Wetter lässt kaum Ausflüge zu und außerdem bleiben Anne und ich fest entschlossen, Nante in den nächsten Stunden oder Tagen über die Ziellinie zu bringen. Ivo ströpert ums Haus und auf dem großen Gelände, aber hat kaum Lust, die reifen Himbeeren zu pflücken oder sich sonstwie allein zu beschäftigen. Er vermisst seinen Bruder.

Schwarze Johannisbeeren reifen direkt neben dem Haus schneller nach, als man ernten kann.

Als sich Rasi mal wieder aufhängt, scheint es besonders arg zu sein. Anne verzweifelt und fragt Ivo, ob er Lust hätte sich zu kümmern. Mehr aus Langeweile sagt er zu und macht sich an die Displayanweisung. Leider alles auf Schwedisch, das hatte unsere Vermieterin wahrscheinlich nicht auf dem Schirm. Aber wie durch ein Wunder klappt es und Ivo bekommt Rasi binnen nur zwei Minuten zum Laufen. Wie er das gemacht habe? Keine Ahnung, alle Knöpfe einmal gedrückt und dann gings. Na prima, Hauptsache, Rasi fährt wieder.

Doch was ist das? Rasi dreht voll auf und mäht eine Schneise quer über den Rasen wie wenn der Frisör versehentlich die falsche Länge in der Haarschneidemaschine eingestellt hätte. Ehe wir raffen, was hier gerade passiert, hat Rasi bereits die zweite Bahn kurz geschoren, dann drei dann vier. Oh Gott! Schnell überlegen wir, was zu tun ist. Rückgängig können wir das ganze jetzt nicht mehr machen. Ab ist ab. Wir beschließen, ihn gewähren zu lassen und hoffen, dass Rasi bis zu unserer Abreise alles gleichmäßig kurzgeschoren hat und die Vermieterin nicht all zu sauer ist.

Wie, um dem Schreck entgegen zu wirken, erinnern die Jungs Anne an ihre noch ungeöffneten Rubbellose. Diese hatte sie von Ivo zum Geburtstag kurz vor der Abreise geschenkt bekommen. Jeweils drei Herzen auf einem Stück Papier, ein Los für jede Schwedenwoche. Sie darf jeweils nur immer eines von drei selbstgebastelten Rubbelherzen freirubbeln. Eine Zahl darunter verrät den Gewinn: eine kleine Fahrradtour, fünf Minuten Kopf kraulen, eine Badeshow im See und andere Herrlichkeiten.

Das Wetter ist auch an Tag vier unverändert trüb, was uns nicht daran hindert, unsere Laune mit einer riesen Portion Pfannkuchen zu erheben. Wir fühlen uns ein wenig von den Wassermassen eingesperrt und können das Gefühl nicht leiden. Also beschließen wir, einen kleinen Ausflug ins nahe Ljungskile zu unternehmen. Der Rest der Hausschule muss halt warten.

Wir schauen uns das kleine Hafenstädchen Ljungskile an und genießen es rauszukommen. Da vor lauter Outdoor-Aktivitäten hier in Schweden alle von Ivos langen Hosen durchgewetzt sind, nutzen wir die Gelegenheit für einen Ladenbesuch. Ich hole mir außerdem Kautschukstiefel, denn meine Outdoorwanderschuhe sind bei dem hohen, nassen Gras und stetigen Dauerregen nicht über viele Stunden hinweg wirklich trocken. Shopping macht natürlich hungrig. Zum Mittag gibt es Räuchermakrele, eine Schale Erdbeeren, frisches Baguette und einen Krabbensalat, serviert auf wettergegerbten Robinienlatten an zartsalziger Hafen-Seeluft. Wir suchen uns gerne Orte im Stadtbild, die uns gefallen, lassen uns ungeniert nieder und nehmen dort Mittagessen oder andere Malzeiten ein. Mir scheint, als würden wir jetzt von weniger befremdeten und mehr erfreuten Augenpaaren angeschaut, als das in Deutschland so üblich ist. Die Reaktion der Leute scheint ein wenig auch landesabhängig zu sein. Einmal, in Warschau, saßen wir zu sechst mit unseren beiden Nichten auf einer Picknickdecke zwischen zwei Straßenbäumen neben der Weichsel auf dem Boden und schlemmten genüßlich frische polnische Backwaren, als uns Passanten, wohl aus Mitleid, etwas Kleingeld zustecken wollten.

Zurück im Haus setzt Nante die Hausschule fort. Ich beschließe, auf eine kleine Erkundungstour um das Haus zu gehen und meine neuen Stiefel zu testen. Wasserdichte Hose, wasserdichte Jacke und mein Fahrtenmesser, dass mir bei Outdoorausflügen ein treuer Begleiter ist, freuen sich, aus ihrer nutzlosen Regungslosigkeit erlöst zu werden.

Moose und Flechten überkriechen alles, was sich auf dem Boden aufhält.

Ich will einen Abstecher runter ins Tal machen, welches sich rund einen Kilometer dem Bergab vor unserem Haus anschließt. Dort gibt es einen kleinen Bach und mich interessiert, ob es sich dort angeln lässt. Außerdem gibt es in diesem kleinen Gewässer Europas größte Population Perlen produzierender Süßwassermuscheln, den sogenannten Margaritiferidae und ich würde mir das gerne aus der Nähe anschauen.

Junge Glimmertintlinge stecken eng aneinandergekuschelt im saftigen Moos.

Tatsächlich komme ich bis an den vielleicht fünf Meter breiten Bach heran. Doch dessen Ufer erweist sich als dermaßen unzugänglich, dass ich in dem Farngestrüpp nur unter großen Anstrengungen 20 Meter in der Minute zurück zu legen schaffe. Ich gebe meine Pläne auf und beschließe stattdessen, in großem Bogen zurück zum Haus zu gehen.

Dichtes Farn verbirgt winzige Wasserläufe, die ich teilweise erst orte, wenn ich mit meinen Füßen schon fast in ihnen stehe.

Der von mir gewählte Bogen erweist sich im Vergleich zum Bachufer selbst als kaum weniger schwierig wegbar. Schon bald stoße ich auf steile Felsabschnitte, die ich kaum noch überwinden kann. Bei dem Versuch, eine der kleineren Felswände zu erklimmen, löst sich unter meinem Stiefel plötzlich die gesamte, vom Regen aufgeweichte, moosbedeckte Erddecke über dem Stein, auf dem ich eben noch stehe. Ich rutsche ab und falle anderthalb Meter. Nicht tief also, jedoch drehe ich mich im Fall in Seitenlage und lande mit meinem Oberschenkel auf einem großen Stein von einem halben Meter Durchmesser. Ein scharfer Schmerz schneidet mir ins Bein. Sofort bin ich mit Adrenalin vollgepumpt und mein Verstand macht mir klar, dass ich einen Augenblick warten muss, bevor ich erkennen kann, ob ich ernste Verletzungen davon getragen habe. Denn der Schock-Mechanismus, mit dem uns die Natur ausgestattet hat, ermöglicht uns evolutionsbedingt im Verletzungsfall noch mehrere Minuten, unseren Kampf oder unsere Flucht fortzusetzen, ohne von Schmerz übermannt zu werden. Die Minuten vergehen. Alles scheint in Ordnung. Doch ich bin noch ordentlich durchgeschüttelt und habe die Garantie auf einen ordentlichen Bluterguss. Ich ärgere mich über mein Ungeschick, denke darüber nach, wie wenig Erfahrung ich in felsigem Gelände habe und sage mir, dass ich vorsichtiger sein muss.

Ein junger Pfifferling sucht sich einen Weg durch Moose und Flechten.

Um mir den Weg zu erleichtern, suche ich nach Wildfährten. In unwegsamem Gelände ist das häufig die beste Option. Denn Tiere – ob intuitiv oder durch viele Fehlversuche schließlich geleitet – schaffen sich selbst gern kleine Straßen im Wald. Zwar sind Äste nur bis in deren Körperhöhe weggebrochen – bei Wildschweinfährten nicht einmal bauchhoch – aber man umgeht auf ihnen doch in der Regel die schwersten Abschnitte. Ich finde welche, aber sie scheinen kaum hilfreich, denn sie kreuzen in engen Maschen den Waldboden. Andererseits vertraue ich ihnen mehr, als meiner nicht vorhandenen Ortskenntnis. Ich werde nicht enttäuscht und knapp zwei Kilometer bergaufwärts komme ich ohne weitere Zwischenfälle in flacheres Gelände, wo ein schmales Zwischental die Anhöhe pausiert.

Knapp zwei Meter hohes Gestrüpp bekleidet das kleine Tal und versteckt auf einer Breite von rund 250 Metern mehrere kleine Bachläufe wie einen kostbaren Schatz. Ich höre sie rauschen und der Wiederhall der Felswände lässt die Wasserfließe noch zahlreicher scheinen, als sie sind. Dennoch springe ich über mindestens drei von Ihnen, bevor ich auf der anderen Seite in einen mossbedeckten Fichtenforst mit wenigstens hundert Jahre alten, hohen Bäumen trete.

Fast übermächtig schwer wirken die vom Gestank der Stinkmorchel angezogenen Fliegen.

Ein paar Sonnenstrahlen stehlen sich durch die Wipfeldecke der dunklen Fichten hinunter bis auf den Waldboden, der jetzt dampft und dabei ein fast magisches Lichtspiel gibt. Ich gehe nur wenige Meter, als es links von mir im Geäst knackt. Ein stattlicher Rothirsch ist von mir aufgeschreckt und hüpft auf dem längsten denkbaren Weg an mir vorbei. Mir macht er dabei ein ungeahntes Geschenk. Denn er gewährt mir den Ausblick in erster Reihe auf sein fast glühend orangebraunes Fell und seine grazilen Sprünge.

Nur 3 Zentimeter hoch sind Halsbandschwindlinge wahre Miniaturpilze

Der Waldboden saugt jeden Tropfen Feuchtigkeit auf. Alles glitzert. Frischer Humusgeruch steigt mir in die Nase. Als ich mich auf den Bode lege, eröffnet sich mir eine Miniaturwelt aus Minimoosen, Minipilzen und Miniinsekten. Halsbandschwindlinge tragen wie eine Gruppe junger Prinzen zum Schmuck einzelne Regentropen auf ihren Häuptern. Der bei uns eher seltene Fichtenspargel steckt seine zahlreichen Köpfe in den Wald hinaus und sieht dabei recht bizarr aus.

Fichtenspargel steckt seine Köpfe aus triefendnasser Walderde.

Als Epiparasit kann der Chlorophyll-lose Fichtenspargel selbst keine Photosynthese betreiben. Seine Nährstoffe bezieht er von Fichten, allerdings nicht direkt, sondern über Mittelmänner in Form von Pilzen, nämlich verschiedenen Ritterlingsarten, welche die benötigten Nährstoffe wiederum auch nicht selbst schürfen sondern von den Bäumen im Austausch gegen andere Nährstoffe erhalten.

Ein stattlicher Schönfußröhrlich zeigt seine prachtvolle Stielnetzzeichnung auf einem schönen, für diese Art typsichen Farbverlauf.

In Wäldern ist alles Teil eines uralten Kreislaufs. Im Herbst kann man an solche Fichtenspargel-Stellen zurückkehren und für die heimische Pfanne ernten. Nicht den Fichtenspargel selbst, aber die dann nachschießenden Pilze.

Moosüberwucherte Baumstümpfe werden als natürliche Erhöhung mit gutem Ausblick gerne von Eichhörnchen genutzt, um frisch gefallene Zapfen nach Samen aufzubrechen.

Zurück im Haus erlese ich mir gemütlich vor dem Kamin, was sich mir im Wald noch an Wissenslücken offenbart hat. An diesem Tag werde ich nicht alt und gehe früh ins Bett. Auch Anne liest. Die Jungs spielen sich mit ihren Kuscheltieren oben in dem märchenhaft ausgebauten Dachstuhl gegenseitig müde.

Tag 5 beginnt nach ausgiebigem Frühstück wieder mit Hausschule. Doch wir sind zuletzt gut vorangekommen und Anne und ich zählen die letzten Lehrbuch-Seiten rückwärts. Endlich ist es geschafft! Die letzte Aufgabe ist erledigt. Ein Gewitter an bunten Lobstempeln saust auf das letzte Blatt nieder und Nante freut sich bei einem wohlverdienten Vormittagseis über die geschaffte Leistung. Wir fühlen uns alle vier, als hätten wir eine riesige Portion Eis verdient.

Soviel Erfolg will gefeiert werden. Wir suchen uns auf Googlemaps in der Satellitenansicht etwas in 30 Kilometer Ferne, was wie ein Örtchen mit Steg am Meer aussieht und machen uns auf den Weg. Vereinzelt reißt der Himmel auf und die Temperaturen steigen auf 18 Grad. Vorfreude erfasst uns.

Wir finden das Örtchen und es hält mehr, als die Satellitenansicht uns versprach. Ein kleines, gemütliches Dorf umrandet eine kleine schützende flache Bucht, die für die Allgemeinheit zum natürlichen Badeparadies reserviert zu sein scheint. Hübsch aufgereihte Bootshäuser in Schwedenrot geben dem Panorama Farbe. Ein an die Felsenwand genagelter Sprungturm verlockt die Jungs. Vom Dreimeterturm blickt man in glasklares Wasser fünf oder sechs Meter tief ins Meer, dessen Boden an dieser Stelle durch eine bunte Welt aus Wasserpflanzen und Fischen wie ein Aquarium wirkt.

Für manch einen mag 18 Grad zu kalt zum Baden erscheinen. Aber für Kinder, die fünf Tage bei Regenwetter und Hausschule eingesperrt waren, sicher nicht.

Nachdem auch die letzten Energiereserven der kleinen Körper im kühlen Nass entladen worden sind, duschen sie sich die Salzkristalle in öffentlich aufgestellten Süßwasserduschen von der Haut. Das dauert nochmal gefühlt dreißig Minuten, denn das Leitungswasser erscheint ihnen plötzlich so schön warm. Dabei beobachten wir, wie mehrere Kinder zwischen den Klippen mit kleinen Plastikangeln in den Felsritzen nach etwas fischen. Krabben, wie wir später erfahren. Die Jungs, noch immer nackt und nass, sind begeistert und wollen auch. Aber jetzt gehts erstmal zurück ins Haus. Morgen ist unser letzter Tag hier und wir freuen uns darauf.

Die letzten 50 Meter bergauf lassen wir die Jungs bei offener Klappe im Kofferraum sitzen. Das herrlich mulmige Gefühl im Bauch ist für sie ein Riesenspaß und eine willkommene Abwechslung.

Noch bevor es richtig dämmert, wache ich am nächsten Morgen auf und trete hinaus auf den Rasen, barfuß. Dicker Nebel lullt das Tal, auf das ich blicke, ein, als wolle er, dass die Nacht für das Tal noch ein wenig länger andauert, es am Aufwachen hindern. Der Bach ist nicht zu hören, sein Plätschern ist verschluckt. Bläuliches Licht rieselt von den Bergen herab und bleibt an den Baumwipfeln hängen. Hier und da legt es sich in schaurigem Kontrast auf die Nebelschwaden, beginnt, vorsichtig an ihnen zu nagen. In einer halben Stunde wird erstes fahles Licht zu uns hinunter blinzeln. Vorboten der Sonne, deren Strahlen nochmal dreißig Minuten später die Feuchte des Nebels verschlungen und aus jedem Winkel vertrieben haben werden. Das Tal wird dann wieder vollständig von hier sichtbar sein, klar und lebendig. Ich liebe die Kraft von Sonnenaufgängen, noch mehr als die beruhigende, oft melancholische Stimmung von Sonnenuntergängen.

Der frühe Vormittag überrascht uns mit 23 Grad und blauem Himmel. Nach und nach werden alle wach. Wir sind fast froh über die Wetterverteilung der letzten Tage und hätten es als Qual empfunden, wenn es genau andersherum gewesen wäre, wir also die Hausschule bei schönem Wetter hätten beenden müssen, nur um dann von mürrischen Himmelslaunen erwartet worden zu sein.

Ich kann den Unmengen reifer Heidel- und Himbeeren nicht widerstehen und esse zum Frühstück fast ein Kilo der süßen Früchte. Zufrieden genieße ich meine Bauchschmerzen mit dem Rücken auf weichem Gras liegend und sehe den Wolkenspielen dabei zu, wie Drachenkopf zu Fahrrad, Fahrrad zu Fisch und Fisch zu Baum wird und sich schließlich alles ganz auflöst.

Wir entschließen uns zu einem Ausflug ins nahe Ljungskile. Auf unserer Liste stehen zwei Wünsche: 1) Krabbenangel kaufen und ausprobieren, und 2) im Restaurant Muscheln essen. Kurz vor Ladenschluss stürzen wir in einen Gemischtwarenladen, in dem laut Auskunft netter Schweden auf der Kreuzung gegenüber Krabbenangeln erhältlich sein sollen. Als wir fragen, ob wir noch rechtzeitig sind, um zwei jener Exemplare käuflich zu erwerben, empfängt uns der Verkäufer in fleckigem Unterhemd mit „wenns sein muss“, das von Herzen zu kommen scheint.

Gemeine Strandkrabbe – essbar, aber nicht sehr ergiebig.

Rund eine Stunde später fängt Ivo mit einer zerquetschten Wasserschnecke als Köder in die Klammer der Krabbenangel geklemmt unsere erste Strandkrabbe. Kurz darauf entschneidert sich auch Nante.

Bei bestem Wetter ergattern wir einen der begehrten Plätze im Strandrestaurant. Unsere Betstellung wird super schnell bearbeitet und gerade, als sich die Sonne ihren roten Schlafanzug anzieht, kommen dampfend mit Gruß aus der Küche zwei riesige Töpfe voller frisch gekochter Miesmuscheln in Weißweinsoße und zwei Portionen Pommes angeflogen. Bei begeisterten Mhhhs und Oooohhs lassen wir unsere Blicke über das Meer schweifen und müssen über unser Glück lächeln.

Zum Schluss gibts hier noch ein paar Eindrücke von unserem zauberhaften Haus:

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